Aktuell mangelt es überall an Fachkräften. Wie tens zum Zusammenbruch unseres gesetzlichen Ren- bewerten Sie die Situation? tensystems kommen. Denn das lebt ja davon, dass Precht: Wir werden über lange Zeit hinweg einen möglichst viele Menschen in einen Arbeitsprozess Fachkräftemangel haben, vor allem im Handwerk und eingebunden sind. in vielen Bereichen, in denen die meisten deutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht mehr Sie warnen vor einem Kollaps der Sozialsysteme in arbeiten wollen. In Hochproblembereichen wie der den meisten Industrieländern, einschließlich Deutsch- Pflege kann das bis zu einem gewissen Grad vielleicht lands, und sprechen von einer gigantischen Gestal- noch ausgeglichen werden, weil Menschen etwa aus tungsaufgabe. Was steht uns bevor? der Ukraine kommen und die Not für einige Zeit etwas Precht: Das große Problem ist, dass unsere sozialen kleiner machen. Eine weitere große Tendenz ist der Sicherungssysteme auf der Besteuerung von Arbeit Wegfall der geistigen Routineberufe durch Technologie basieren. Wir werden unterm Strich zukünftig weniger und Künstliche Intelligenz. Der findet schon zaghaft arbeiten als vorher. Dies glaube ich, weil es bei allen statt, aber er wird sich in den kommenden 15 Jahren technologischen Sprüngen und allen ökonomischen massiv verstärken. Revolutionen immer so war, dass Menschen danach weniger arbeiteten. Dann kann durch die Besteuerung Was können die Unternehmen im Kampf um die von Arbeit die Finanzierung der Nichtarbeitenden, besten Fachkräfte tun? also der Kinder, Rentner und Arbeitslosen, nicht mehr Precht: Die Menschenströme folgen immer den Ka- finanziert werden. Ich glaube, über viele Punkte kann pitalströmen. Und die Länder, die technologisch weit man kontrovers diskutieren. Aber dass das nicht mehr vorn sind, werden diese neuen Arbeitsbereiche nur aufgeht, da hat mir fast nie jemand widersprochen. dann besetzen können, wenn sie viele Menschen aus Der Einzige, der das getan hat, war Olaf Scholz, als er dem Ausland beschäftigen. Wir können unseren Bedarf im Wahlkampf war. an IT-Spitzenkräften innerhalb Deutschlands nicht mehr decken, weil dieser Bereich immer anspruchs- Deshalb gibt es die Idee, dass Maschinen besteuert voller wird. Genauso wenig wie man Bundesligaspie- werden. Was halten Sie davon? ler oder Top-Musiker züchten kann, kann man auch Precht: Das finde ich nicht schlecht, denn am Ende keine IT-Experten züchten. Aber man kann die Kräfte kommt es auf die Arbeitsleistung an. Ob diese nun bestmöglich abschöpfen, indem man die Begabten von einem Menschen oder einer Maschine erbracht fördert und rechtzeitig von den weniger Begabten wurde, spielt keine Rolle. Wichtig wäre bei so einer separiert. Deshalb brauchen wir stärker projektbezo- genen Unterricht sowie mehr externe Fachkräfte, die RICHARD DAVID PRECHT Wertschöpfungsabgabe, dass sie kein Land allein durchsetzen kann, da sonst womöglich Standortnach- in die Schulen gehen und die besten Talente schon Der Philosoph, teile entstehen. Aber auch, dass man sich dabei nicht frühzeitig fördern. Wir sollten uns aber nicht der Illu- sion hingeben, dass wir den enormen Bedarf an Spit- zeninformatikern allein mit Ressourcen in Deutschland decken können. Bald gehen Millionen Babyboomer in Rente. Werden dadurch die Jobs ausgeglichen, die durch Technologie verloren gehen? Precht: Dass uns der demografische Faktor in die Publizist, Modera- tor und Bestsel- lerautor promo- vierte 1994 in Germanistik und ist Honorarprofessor für Philosophie an der Leuphana Uni- versität Lüneburg nur auf die Hardware konzentriert. Eigentlich müsste man auch die Arbeitsleistung von Software besteuern, sonst wäre es eine ungerechte Maschinensteuer. Das wäre eine Richtung, in die wir sicherlich erfolgreich denken können. Der Wandel der Arbeitswelt wird eine veränderte Besteuerung nach sich ziehen. Und eine der Säulen für einen künftigen Sozialstaat könnte so eine Wertschöpfungsabgabe sein. Hände spielt, ist eine Hoffnung. Und wenn wir dafür Könnte eine Wertschöpfungsabgabe nicht den Fort- sorgen, dass diejenigen, die jetzt die Schule verlassen, schritt ausbremsen, wenn sie zu hoch ausfällt? keine Banklehre machen oder bei Verwaltungen und Precht: Diese neue Art der Besteuerung darf unterm Versicherungen arbeiten, dann müsste sich das Ganze Strich nicht höher sein als die Besteuerung jetzt. Die halbwegs organisch transponieren lassen. Ich bin aber gute Nachricht für Firmen ist, dass dadurch die Lohn- nicht sicher, ob das wirklich so aufgeht. Ich glaube, nebenkosten sinken. Während also einerseits die Wert- dass wir an einem gewissen Anstieg von Arbeitslosig- schöpfung die Leistung der Maschinen mit einbezieht, keit nicht vorbeikommen. Und: Sollte tatsächlich ein- wird auf der anderen Seite die Arbeit günstiger. Die treten, dass es aus demografischen Gründen nicht zu Abgabenlast für Unternehmen würde sich so innerhalb einer großen Arbeitslosigkeit kommt, wird es mindes- des bestehenden Systems verschieben. DUP UNTERNEHMER 11