Emissionsschleuder Digitalisierung – jede E-Mail zählt

Emissionsschleuder Digitalisierung – jede E-Mail zählt 5184 3456 Julia Eckebrecht

Das Internet ist ein wahrer Klimakiller. Quasi unbemerkt verschlingen unsere Smartphones, Tablets, Rechner und Wearables im Sekundentakt riesige Mengen Energie. Und das im gesamten Lebenszyklus. Das gilt nicht nur für die Herstellung und der Entsorgung der Hardware, auch die unzähligen Apps sind für hohe Co2-Austöße verantwortlich. Warum? Ganz einfach: Damit diese überhaupt laufen, stehen Serverfarmen buchstäblich unter Dauerstrom – weltweit.

Besonders kritisch: Apps mit Bewegbild-Inhalten. Ein Thinktank aus Frankreich hat sich im Projekt „The Shift Project“ die Auswirkungen auf die Umwelt durch Onlinevideos angesehen. Demnach hat die Nutzung digitaler Technologien zu einem rapiden Anstieg der weltweiten Treibhausgas-Emission geführt: Sie sind für vier Prozent der Treibhausgase verantwortlich. Das ist fast doppelt so viel wie der zivile Luftverkehr. Der Prognose der Franzosen zufolge kann sich diese Zahl sogar noch verdoppeln. Damit würden digitale Technologien verantwortlich für den Ausstoß von so viel Treibhausgasen sein wie alle Autos und Motorräder zusammen.

Onlinevideos und Streaming

Alleine das Bereitstellen von Onlinevideos ist energieintensiv. Die Serverfarmen, die dafür verantwortlich sind, müssen mit Energie versorgt und gekühlt werden. Hinzu kommen unterschiedliche Kabelverbindungen wie Glasfaserleitungen, Ethernet-Kabel und WLAN (bald auch 5G), die für die Übertragung sorgen. Jeder dieser Schritte frisst Energie und setzt Co2 frei. 2018 setzen Onlinevideos dadurch und durch das Streaming mehr als 300 Millionen Tonnen Co2 frei – das ist mehr als der gesamte Ausstoß innerhalb Spaniens. Video-on-Demand-Services wie Amazon Prime und Netflix stoßen so viel Co2 aus wie der gesamte Staat Chile – rund 100 Millionen Tonnen. Angesichts dieser Zahlen vergeht einem doch schnell die Lust aufs Binge-Watching.

Musikstreaming

Beim Musikstreaming sieht es nicht anders aus. Dabei könnte man doch eigentlich davon ausgehen, dass das haptische Produkt mit der Kunststoff-CD, der Plastikverpackung und dem gedruckten Booklet mehr Ressourcen vernichten würde. Forscher der Unis Glasgow und Oslo haben allerdings das Gegenteil bewiesen. So ist das Treibhauspotenzial um bis zu 100 Prozent höher als noch in den 2000er-Jahren. Der Grund: Mehr Menschen hören immer öfter Musik. Und das kostet Energie.

E-Books

Hier ist die Sachlage nicht ganz so klar. Der Reader an sich ist erst mal der Klima-„Bösewicht“. Gleichwohl verschlingt auch das gedruckte Buch viele Ressourcen in Herstellung, Logistik und Vertrieb. Wer als Vielleser mehr als zehn Bücher pro Jahr liest, kauft besser E-Books als gedruckte neue Bücher. Denn bei ersteren ist dann die Ökobilanz tatsächlich besser, wenn man Herstellung, Transportwege, Energieressourcen von gedrucktem Buch und E-Book vergleicht.

E-Mails und Datenverkehr

Ein nicht zu unterschätzender Klimakiller sind E-Mails. Alleine Newsletter und Spam-Mails verursachen einen unvorstellbar hohen Emissionsausstoß. Und schon eine kurze, selbst verfasste Mail verbrät vier Gramm CO2-Äquivalent (gCO2e). Wer also am Tag viele Mails versendet und empfängt, hat im Laufe eines Arbeitstages unbewusst die Bilanz eines mehrere Kilometer fahrenden Autos. Aber wer denkt schon daran, einen längst überflüssig gewordenen Newsletter abzubestellen, um die CO2-Bilanz zu verbessern?

Suchmaschinen

Logischerweise stößt auch jede Suchanfrage im Internet Co2 aus. 407 Megatonnen jährlich. Und die Zahlen steigen. Grund genug, auch mal andere Suchmaschinen zu probieren. Ecosia setzt zum Beispiel auf Klimaneutralität durch Bäumepflanzen – Nach rund 45 Suchanfragen wird ein Baum gepflanzt. Da kommt eine Menge zusammen: seit Gründung 2009 über 65 Millionen.

Kryptowährungen

Für das sogenannte „Mining“, also das „Schürfen“ von Bitcoin & Co. laufen Rechner nonstop. Denn damit die Transaktion von Bitcoins in der Blockchain vonstattengeht, muss eine Rechenaufgabe im weltweiten Bitcoin-Netzwerk gelöst werden, an dem jeder teilnehmen kann und dafür wiederum mit Bitcoins belohnt wird. Das Mining verbraucht laut einer Kalkulation der TU München jährlich rund 22 Megatonnen Kohlendioxid – ähnlich viel wie die Städte Hamburg, Wien oder Las Vegas. Für seine Analyse wertete das interdisziplinäre Forschungsteam unter anderem Börsenunterlagen von Hardware-Herstellern und IP-Adressen der Bitcoin-„Schürfer“ aus.

Dank dieser Zahlen ist eines klar: Wir verbringen irre viel Zeit im Internet. Und besitzen immer mehr Tech-Gadgets. Digitalisierung und Automatisierung – das sind die Schlagwörter, die wir mit unserer Zukunft assoziieren. Und beides ist: elektronisch. Es gilt also – wie im Offline-Leben auch – immerwährend sein Online-Leben zu hinterfragen: „Muss das wirklich sein?“. Muss es meistens nicht: Schon das regelmäßige Schließen der nicht benötigten Tabs im Browser kann einen Unterschied machen. Und auch das E-Mail-Postfach muss nicht fortwährend geöffnet, der Computer nicht mit unnötigen Daten zugemüllt sein. Also: Einfach mal Mails löschen, Bilder aussortieren, unnötige Newsletter abbestellen, weniger Zeit auf Social Media verbringen und ganz altmodisch mal eine DVD ansehen anstatt nur auf Netflix zu setzen. Tut niemanden weh – sind aber viele kleine Schritte in eine klimaneutralere Zukunft.

Text: Julia Eckebrecht
Foto: Wesson Wang / Unsplash