Wenn die morgendliche Junisonne langsam über dem zirkuszeltförmigen Tagungsgebäude des Tempodroms in Berlin Kreuzberg aufgeht und auf der Stresemannstraße Scharen von Business Punks Richtung Konferenzgelände strömen, dann ist es wieder soweit: einer der größten Start-up- und Investorenkonferenzen Europas – die NOAH Berlin 2018 – öffnet ihre Pforten.
Doch dieses Jahr ist etwas anders: Direkt am Einlass der Konferenz steht eine aufgebrachte Menge von rund 50 Taxifahrern. „Uber raus“, „Uber raus“, skandieren sie lauthals. Auf den Plakaten, die sie mitgebracht haben, stehen Parolen wie „Uber = Sklavenarbeit“ oder „Ge$etzlo$ = Räuber“. Immerhin hat sich der neue Uber CEO Dara Khosrowshahi für eine Keynote um 10:15 Uhr angekündigt. Was die wütenden Männer auf die Straße treibt ist klar: Die Sorge um ihre Arbeitsplätze und das Geschäftsmodell Taxi. In Uber sehen sie ein Unternehmen, das mit unfairen Mitteln auf den deutschen Taximarkt vordringen will.
„Das Amazon der Mobilität“
Im Konferenzsaal nimmt Khosrowshahi derweil entspannt auf einem Sofa Platz. Der Applaus der europäischen Digitalwirtschaft bleibt verhalten, die Trillerpfeifen und Rufe der Demonstranten dringen bis auf die Bühne. „Wir wollen das Amazon der Mobilität werden. Unsere Autos sind unsere Bücher“, verkündet der CEO selbstbewusst. Und auch für Deutschland hat der gebürtige Iraner große Pläne: Mit „Uber Green“ will das Enfant Terrible der Sharing Economy Fahrgästen in Zukunft auch Fahrten in E-Autos anbieten. Noch in diesem Jahr soll das Pilotprojekt, das derzeit in München läuft, auf Berlin ausgeweitet werden.
Uber setzt auf E-Bikes
Für Ende Sommer ist zudem ein Ausleihservice für E-Fahrräder in der Hauptstadt geplant. Die Stromflitzer kommen vom amerikanischen Start-up Jump up, das Uber im April übernommen hat. „Die meisten Uber-Fahrten sind kürzer als vier Kilometer. Unsere E-Bikes haben eine Reichweite von 40 Kilometern und könnten unseren Pkw-Service teilweise ersetzen“, so Khosrowshahi. Für die Zukunft habe Uber aber auch Mobilitätsdienstleistungen rund um den öffentlichen Verkehr geplant. „Wir wollen in alle Prozesse involviert sein, bei denen Menschen von A nach B gelangen.“ Für die kreative Zerstörung der Taxibranche indes weist Khosrowshahi jede Verantwortung von sich: „Wir wollen Mobilität demokratisieren. In puncto soziale Absicherung darf Teilzeitarbeit vom Staat nicht mehr länger vernachlässigt werden.“
Das Who-is-Who der Digitalwirtschaft
Was lässt sich zusammenfassend über die NOAH 2018 sagen: Am Claim der Konferenz „Connecting Leaders to Empower the European Digital Ecosystem“ könnte was dran sein. Wo sonst kann man an zwei Tagen hochkarätige Gründer und C-Level-Manager aus allen Branchen der Digitalwirtschaft und Old Economy im Zehnminutentakt auf der Bühne sehen. Wo sonst versammeln sich die großen Venture-Capital-Firmen und Company Builder Europas wie Rocket Internet, Lakestar oder Holtzbrinck Ventures auf der Suche nach lohnenden Investitionen im Publikum? Wo sonst geben sich Politiker wie der US-Umweltaktivist und ehemalige Präsidentschaftskandidat Al Gore oder der deutsche Wirtschaftsminister Peter Altmeier (CDU) die Klinke in die Hand? Ticketpreise, die bei 800 Euro beginnen, scheinen da durchaus gerechtfertigt.
Starstruck
Denn die Digital-Eminenzen sieht man nicht etwa nur auf der Bühne: Allein in der Schlange der Kaffeebar stand ich mit der Gründerin des polnischen Fashionlabels La Mania Joanna Przetakiewicz und dem Gründer und CGO des Berliner Marketing-Start-ups DCMN Matthias Riedl. Vor dem Eingang eilte mir Claudia Nemat, CTO der deutschen Telekom, mit Lederjacke und wehenden Haaren entgegen. In den Worten des charismatischen NOAH Gründers Marco Rodzynek: „Die Hauptattraktion der NOAH Conference sind nicht die Speaker, sondern das Publikum.“
Text/Foto: Johannes Kaufmann